Am Mittwoch, den 8. Juli verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig zum fünften Mal Stolpersteine in Groß-Gerau im Gedenken an ehemalige jüdische Mitbewohner der Kreisstadt, die durch die Nationalsozialisten um ihre Existenz gebracht, zur Emigration gezwungen oder umgebracht worden sind.
Diesmal hatten die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9b gemeinsam mit ihrem Klassenlehrer Thomas Heeg und dem Dekanatsvertreter Wolfgang Prawitz die Lebensgeschichten der jüdischen Familien Hugo und Thekla Hirsch mit ihren drei Töchtern sowie von Heinrich und Karoline Hirsch erforscht.
Bei der Verlegung der Stolpersteine in der Frankfurter Straße 36 sowie in der August-Bebel-Straße 7präsentierten sie die Ergebnisse ihrer Arbeit in Form von Plakaten und Vorträgen, die mehr als deutlich machten, wie sehr die Familien Hugo und Heinrich Hirsch, die in Groß-Gerau eine Likör- und Essigfabrik betrieben, nicht nur wirtschaftlich sondern auch kulturell und sozial in unserer Stadt verwurzelt waren. Dennoch wurden sie zur Flucht gezwungen und starben mittellos in der Emigration. So wichtig das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus auch ist, so spannten die Schülerinnen und Schüler auch den Bogen zur Gegenwart. Klassensprecherin Julia Herschel schloss die Vorträge der Schülerinnen und Schüler mit folgenden bewegenden Worten:
„Man glaubt zwar Geschichten, wie wir sie eben gehört haben, können heutzutage nicht mehr vorkommen, jedoch ist dies nicht der Fall. Auch heute noch werden in zahlreichen Ländern und Regionen Menschen wegen ihres Glaubens, ihrer politischen Überzeugung oder, weil sie einer ethnischen Minderheit angehören, diskriminiert, verfolgt oder sogar ermordet.
In unserem Land bitten einige wenige dieser Verfolgten um politisches Asyl. Das Asylrecht ist eine der großen Errungenschaften unseres Grundgesetzes und eine Lehre aus den Verbrechen, die an den Juden in der Zeit von 1933 bis 1945 begangen worden sind. Aber wir müssen mit Entsetzen feststellen, dass Asylbewerberunterkünfte oder im Bau befindliche Asylbewerberheime immer wieder das Ziel von Anschlägen aus dem rechtsradikalen Umfeld werden.
Wir sind zwar nicht verantwortlich dafür, was während der Zeit des Nationalsozialismus passiert ist, aber tragen dennoch Verantwortung, dass so etwas nicht noch einmal passiert.
Jetzt frage ich Sie, warum ist es also so wichtig, dass wir diese Geschichten erzählen, dass jede einzelne von großer Bedeutung ist und dass wir nie vergessen, was einst auch in unserem Städtchen hier an diesem Ort geschah?
Diese Fragen mussten auch wir uns während dem Erarbeiten unserer Vorträge stellen. So sagen manche, was vergangen ist, ist vergangen, aber sollten wir uns nicht unserer Vergangenheit stellen und daraus lernen? Nicht nur die Tatsache, dass wir das Thema Nationalsozialismus zur Zeit im Geschichtsunterricht behandeln, sondern auch unser Besuch vor drei Wochen im Berliner Konzentrationslager Sachsenhausen bewegten uns sehr. So wurden wir in den vergangenen Tagen mit vielen schrecklichen Schicksalen der Juden in Deutschland konfrontiert. Einige wenige dieser Schicksale haben Sie eben kennen gelernt. Die Familie Hirsch war nur eines von leider zu vielen Beispielen und doch dürfen wir sie nie vergessen, müssen ihre Geschichte weitererzählen um in Zukunft daran zu erinnern, wie wichtig es ist, dass so etwas nie wieder geschehen darf. Es liegt in unseren Händen.
An dieser Stelle danken wir auch Gunter Demnig, der durch sein Engagement die Geschichten unserer jüdischen Mitbewohner wieder zum Leben erweckt.“
(srs)
Auch das Groß-Gerauer Echo berichtete darüber: Artikel 1, Artikel 2